membra disiecta IIb

for double bass, tape, live electronics and IKO

premiered at

ORF-musikprotokoll 2018

6.10.2018

Graz, Helmut List Halle

 

 

by Guts'n'faders
Margarethe Mayerhofer-Lischka | double bass

Peter Venus | live electronics

© Marin Gross

 

Program note (German)

membra disiecta läßt sich mit zerstreute oder zerrissene Glieder übersetzen und bezeichnet aus ihrer organischen Ordnung gerissene Teile eines Ganzen. Der dem Stück zugrunde liegende Text basiert auf den Mythen um „Isis und Osiris“ und beschreibt einen Prozess des Erinnerns, Suchens, Auflesens und Benennens von Körperfragmenten. Für den Ägyptologen Jan Assmann erschließt sich die Zerrissenheit als Todesbild einerseits aus dem altägyptischen Körperbild als eine zur beseelten Einheit verbundenen Vielheit von Gliedern und andererseits aus den Gegenbildern in Gestalt der Todesheilung durch Sammeln, Zusammenfügen, Vereinigen und Verknüpfen. Der tote Körper als membra disiecta soll Lähmung überwinden und Handeln ermöglichen. Dieses metaphorische Todesbild, dient also als Folie für das Lebensbild, in der der Körper durch den Vollzug von Einbalsamierungsritualen überführt werden soll. Bei den Ritualen wird der Tote ununterbrochen angeredet. Dieser Sprachstrom hat die Funktion, die zerstreut vorgestellten Gliedmaßen in einen Text zu versammeln, der sie als neue Einheit beschreibt.